Landesspecial WS 05/2013 - page 39

Personal & Fachkräfte
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„Tue Gutes und rede darüber“
Ein Plädoyer für mehr Unternehmenskultur
Als die Thüringer nach der Wende ihre
ersten Erfahrungen mit dem damals
noch unbekannten Phänomen der Ar-
beitslosigkeit machten, hatte Hartmut
Koch einen Plan. Der Diplom-Informa-
tiker war jahrelang Leiter eines Rechen-
zentrums und hatte Erfahrungen als
Dozent. Glasklar erkannte er, woran es
mangelte. Die überwiegende Mehrzahl
der wendebedingt freigesetzten Ar-
beitskräfte war hoch motiviert und auch
gut qualifiziert. Was ihnen fehlte, war
eine Anpassung an das neue System
und die Aufgaben, die darin zu erfüllen
waren. Es war die hohe Zeit der Um-
schulungen. Viele seiner damaligen
Kunden kamen so schnell wieder in
Lohn und Brot.
Heute ist der Weg sehr viel länger und
auch steiniger, weiß Hartmut Koch. 1,5
Millionen Deutsche im Alter zwischen
15 und 25 Jahren hätten keinerlei Aus-
bildungsabschlüsse vorzuweisen. Oft-
mals fehle es an der Leistungsmoti-
vation. Ohne Vorbilder in der eigenen
Familie brächten junge Menschen nicht
genügend Willen mit, ihre Situation zu
verbessern. Sozialhilfekarrieren ganzer
Familien seien die Folge. Selbst spezielle Maßnahmen
für diese Klientel griffen kaum, sagt Koch und rechnet
ein Beispiel aus jüngster Zeit vor. Von 280 Aspiranten
für eine spezielle Maßnahme seien ganze zwei Ausbil-
dungsverträge geschlossen worden.
Dass die Qualität der Schulabgänger immer schlech-
ter werde, ist von vielen Ausbildungsbetrieben zu hö-
ren. Hartmut Koch findet, dass dies ganz besondere
Anforderungen an die Ausbilder stelle. Die Ausbildung
in den Unternehmen müsse professionalisiert und als
sozialer Prozess begriffen werden. An-
derenfalls sägten sich die Unternehmen
selbst den Ast ab, auf dem sie sitzen.
Mangele es an der Qualität der Aus-
bildung, so fehle es später an geeigne-
ten Fachkräften. Allein durch den de-
mografischen Wandel sei die Entwick-
lung vorgezeichnet: „Unser Fachkräfte-
bestand wird ausgedünnt.“
Ein Umdenken fordert Hartmut Koch
von den Unternehmen aber auch in
Sachen Unternehmenskultur. Die müs-
se stimmen, die müsse man pflegen und
über die müsse man auch öffentlich re-
den. Viele Unternehmen in Thüringen
seien sozial engagiert, unterstützten
Sportvereine oder kulturelle Aktivitäten.
Allerdings erfahre man zu wenig davon.
Unternehmen müssten in Zukunft The-
men wie Kinderbetreuung, Familien-
förderung und Frauen in Führungs-
positionen aktiv kommunizieren. Der
Kampf um die besten Köpfe beginne in
den Unternehmen und nur diejenigen
hätten gute Chancen, die diesen Kampf
jetzt schon aufnehmen.
Wenn man mit Hartmut Koch über das Thema Fach-
kräfte redet, ist der Präsident des Verbandes der
Wirtschaft Thüringen (vwt) in seinem Element. Kein
Wunder, der heute 66-Jährige führt seit nunmehr 22
Jahren ein Bildungsunternehmen. Im Gespräch mit
dem Wirtschaftsspiegel schildert er seine Sicht auf
die Dinge, spricht über fehlende Leistungsmoti-
vation und hält ein Plädoyer für mehr Unterneh-
menskultur als Mittel im Kampf um die besten
Köpfe.
Text und Foto: Torsten Laudien
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