Landesspecial WS 05/2013 - page 47

Ernährungswirtschaft
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Thüringen ist das Land der Dichter und Denker. Es ist das Land der Tüftler und Erfinder. Das Land der Anpacker und Macher. Es ist
aber auch das Land der Klöße und der Bratwurst. Europas älteste und Deutschlands größte Nudelfabrik steht hier und Deutschlands
beliebtestes Schwarzbier kommt aus Thüringen. Genug Gründe für ein Interview mit Thüringens Ernährungsminister Jürgen Reinholz.
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Thüringens Ernährungsminister
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Jürgen Reinholz
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Welchen Stellenwert hat die
Ernährungswirtschaft in Thüringen?
„Der Fahrzeugbau und die Ernährungs-
wirtschaft liefern sich in Thüringen re-
gelmäßig ein Kopf-an-Kopf-Rennen,
wer – statistisch berechnet – die be-
deutendere Branche in Thüringen ist.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die
gesamtgesellschaftliche Bedeutung der
Land- und Ernährungswirtschaft größer
ist, als die der Automobilbranche.
Die Thüringer Ernährungswirtschaft ist
auch in schwierigen Jahren stets ge-
wachsen. Sie gehört zu den erfolg-
reichsten Branchen der Thüringer
Volkswirtschaft und hat einen Anteil am
Umsatz des verarbeitenden Gewerbes
von zirka 13,8 Prozent.
Im Jahr 2012 gehörten dem Ernäh-
rungsgewerbe 198 Betriebe mit 20 und
mehr Beschäftigten an. Rund 18.747
Beschäftigte erwirtschafteten einen
Umsatz von 4,3 Milliarden Euro. Damit
liegt die Ernährungswirtschaft wieder
vor dem Fahrzeugbau, der im Vergleich
zum Vorjahr erheblich an Umsatz einge-
büßt hat. Die Ernährungswirtschaft leis-
tet somit einen wesentlichen Beitrag
zur Stabilität der Beschäftigung in
Thüringen. Außerdem sind Land- und
Ernährungswirtschaft im gesamten Frei-
staat präsent, während andere Bran-
chen sich an einzelnen Standorten kon-
zentrieren.“
Die Lebensmittelbranche ist von
Globalisierung und Regionalität
geprägt. Wie kann das langfristig
zusammen gebracht werden?
„Globalisierung und Regionalität kön-
nen sich durchaus ergänzen. Durch den
Aufbau regionaler Wertschöpfungsket-
ten können Transportwege eingespart
und die Transparenz für den Verbrau-
cher verbessert werden. Gerade bei fri-
schen Produkten bringt die Erzeugung
in der Region zusätzlich Pluspunkte für
die Qualität.
Viele Produkte, die aus unserem Alltag
nicht mehr wegzudenken sind, können
bei uns jedoch aus klimatischen Grün-
den gar nicht produziert werden. Auch
wenn der Verbraucher in letzter Zeit
verstärkt zu regionalen Produkten
greift, wird er wohl nicht auf seinen
Kaffee verzichten wollen.
Neben dem Trend zur regionalen Küche
beobachten wir zugleich einen Trend
zur exotischen Küche. Dazu braucht
man oft Zutaten, zum Beispiel Gewürze,
die importiert werden müssen. Der Im-
port von Lebensmitteln kann mit ökolo-
gischen und sozialen Problemen in den
Herkunftsländern verbunden sein. Doch
die exportierenden Länder bekommen
durch den Handel Devisen, die sie drin-
gend benötigen – ein zweischneidiges
Schwert also. In den Handelsbeziehun-
gen müssten ökologische und soziale
Standards viel stärker berücksichtigt
werden. Realität ist leider, dass wir hier
exotische Produkte zu Schleuderpreisen
kaufen können und über die Umstände,
unter denen diese produziert werden,
nichts erfahren oder nichts erfahren
wollen. Oftmals können die Produzen-
ten von ihrer Arbeit kaum leben.
Jeder von uns kann jetzt schon einen
Beitrag leisten, etwas in die richtige
Richtung zu bewegen. Einige Lebens-
mittelhersteller gehen mit gutem
Beispiel voran, setzen auf den Aufbau
stabiler, partnerschaftlicher Handelsbe-
ziehungen, fördern nachhaltige Produk-
tionssysteme und leisten einen Beitrag
zur Verbesserung der Lebensbedin-
gungen vor Ort. Letztendlich geschieht
dies auch in deren eigenem Interesse,
denn es hilft, die Versorgung mit quali-
tativ hochwertigen Rohstoffen zu si-
chern. Diese Zusammenhänge müssen
dem Verbraucher verständlich vermit-
telt werden, denn letztendlich muss er
für dieses Endprodukt einen höheren
Preis zahlen.“
Thüringen ist gemeinsam mit
Sachsen und Sachsen-Anhalt
Hauptinitiator der Mitteldeutschen
Warenbörse. Was ist die Intention
dieser Initiative?
„Die Ernährungswirtschaft Thüringens
hat die vergangenen 20 Jahre genutzt,
um mit Hilfe von staatlicher Förderung
wettbewerbsfähige Strukturen und Un-
ternehmen aufzubauen, die wichtige
Partner des Lebensmitteleinzelhandels
sind. Die Produktion ist aber nur eine
Seite der Medaille. Was produziert wird,
muss auch verkauft werden. Die Markt-
Frische, Qualität und Geschmack
Foto: TMLFUN
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