Landesspecial WS 05/2013 - page 5

Gastbeitrag
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Kooperation im Mittelstand
als Überlebenschance?
Von zwei Seiten wird das tradierte Denken in der Branche in Frage
gestellt. CO
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-Reduzierung, Elektromobilität, Leichtbau, neue Ver-
kehrskonzepte, um nur einige zu nennen, bedingen einen erhöhten
Aufwand an Entwicklungsthemen und damit -kosten, die aktuelle
Verschiebung der Produktionsstandorte nach Asien, USA und Indien
fordern eine lokale Produktionspräsenz, deren Realisierung mit ho-
hem Risiko und Kostenaufwand verbunden ist.
Die Zulieferindustrie, so aktuelle Studien, kann sich Grundlagenfor-
schung kaum leisten, eine enge Zusammenarbeit mit Hochschulen
ist daher das Gebot der Stunde. Nur so fließen Entwicklungs-
kompetenzen mit Realisierungskompetenzen zusammen. Neue
Instrumente und Konzepte der Förderung dieser Zusammenarbeit
sind nötig, um in kürzester Zeit marktfähige Innovationen zu reali-
sieren, denn nicht nur die Technik entscheidet sondern der Zeitfaktor
spielt hier eine wichtige Rolle.
„Made in Germany ist out, Management in Germany ist die neue
Herausforderung.” Wie kann der Mittelstand, wie kann die Thüringer
Zulieferindustrie diese neue Herausforderung bewältigen? Sind wir
darauf vorbereitet, dass wir immer mehr Produktionsvolumen an die
Verkaufs- und Bedarfsweltmeister in Asien verlieren, wir die Pro-
duktionsmenge in Europa nachhaltig verringern? Haben wir in den
gegenüber unseren Kunden kleinteiligen Unternehmensgrößen das
Know-how, das Humankapital, um die völlig neuen Auslandsmärkte
zu besetzen? Ich glaube, dass wir in Thüringen derzeitig nicht hin-
reichend ausgestattet sind, um diese Herausforderungen der Glo-
balisierung allein zu bewältigen. Mit wenigen Ausnahmen sind
Thüringer Zulieferer auf den Auslandsmärkten bereits mit eigenen
Entwicklungs-, Vertriebs- und Produktionskapazitäten präsent.
Sicher, wir exportieren Zulieferteile in diese Regionen, zumeist aber
im Schlepptau von Automobilkonzernen, die uns früher oder später
dazu auffordern oder gar zwingen werden, an ihren Auslands-
standorten zu produzieren.
Es ist eine Herausforderung für alle Unternehmen, sich auf ein völ-
lig neues Management einzustellen, ja dieses im Hause zu realisie-
ren, um eine Chance am zukünftigen Auslandsstandort zu generie-
ren. Hier geht es nicht nur um Sprachkenntnisse, Kenntnisse der
Kultur, die Anpassung an völlig neue Rechts- und Besteuerungs-
grundlagen. Zu diesen Themen muss oft externer Rat teuer erkauft
werden. Es geht um den Aufbau eines internen Automobilmanage-
ments, das den Aufgabenstellungen der globalen Vernetzung ge-
recht wird. Dies bedingt wiederum, dass von den Hochschulen ein
neuer Typus an Ingenieuren oder Betriebswirten ausgebildet wird,
der den Spezifika der Automobilbranche gerecht wird. Wir brauchen
mitunter zwei Jahre um einen Hochschulabgänger mit den Methoden
und Herausforderungen unserer Branche vertraut zu machen, Aus-
landsaufenthalte inklusive. Dieser Aufwand ist sicher eine Investition
in das eigene Personal, aber können wir uns dies noch leisten, dau-
ert es nicht zu lange?
Als größte Branche in Thüringen fordert der AT Thüringen schon lan-
ge einen Lehrstuhl für Internationales Automobilmanagement in
Form eines Masterstudienganges an der TU Ilmenau. Wir finden kein
ausreichendes Gehör beim Kultusminister, der hierfür zuständig wä-
re. Wir haben Unterstützer in Thüringen, privat, institutionell wie
zum Beispiel die IHK, doch wir brauchen die Mittel auch vom Wirt-
schaftsministerium. Wir müssen es gemeinsam schaffen, auch wenn
die Hochschulmittel reduziert werden. Noch vor zwei Jahren wurde
eine Verstärkung und Anpassung an die Bedingungen der Automobil-
branche in der Ausbildung des Mittelbaues in unseren Unternehmen,
der Meisterebene für nicht durchführbar gehalten. Nun, mit gutem
Willen aller Beteiligten, der IHK, den Unternehmen und den Bil-
dungsträgern, haben wir es – bundesweit einmalig – geschafft, dass
in Thüringen eine Meisterausbildung in nur sechs Monaten durch
konzentrierte und tägliche Schulung erreicht werden kann. „Nichts
ist unmöglich“, diesen Werbeslogan einer japanischen Automobil-
marke sollten wir uns zum Vorbild nehmen, die Ziele stringent ver-
folgen und die anfangs vorhandenen Hürden gemeinsam beseitigen
oder überspringen. Die Politik ist wieder einmal gefordert, aber wir
sind es auch, wollen wir die Globalisierung mitgestalten. Es bleibt
wenig Zeit.
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Dr.-Ing. Otto Michael Militzer ist Chief Executive Officer (CEO)
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im Vorstand der MITEC Automotive AG Eisenach.
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Er schreibt
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für den Wirtschaftsspiegel über die Herausforderung
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Globalisierung für den Mittelstand.
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Die nunmehr erlebte und gelebte internationale Arbeitsteilung in der globalen Automobilindustrie ist eine enorme Herausforderung
für die Zulieferer und dies nicht nur in Thüringen.
Ein Gastbeitrag von Dr.-Ing. Otto Michael Militzer.
Foto: Peter Mock
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