Landesspecial WS 05/2013 - page 15

Innovationen aus Thüringen
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Dem Ilmenauer Maschinenbauprofessor André
Thess ist es gelungen, den Wirkungsgrad der neuen
Strom-Wärme-Strom-Energiespeichertechnologie
(SWS-Energiespeichertechnologie) für beliebige
Speichermedien mit einer einfachen Formel vorher-
zusagen. Mit dieser Formel wird es erstmals mög-
lich, innovative SWS-Speichermodelle in die prak-
tische Anwendung zu überführen. Über das For-
schungsergebnis berichtet die Onlineausgabe der
international renommierten Zeitschrift „Physical
Review Letters“.
Neue Theorie zur thermischen
Speicherung von Elektroenergie
seinen Wirkungsgrad existieren. Der Wirkungsgrad ei-
nes Energiespeichers ist das Verhältnis zwischen wie-
dergewonnener und eingespeister Energie und wird in
Prozent angegeben. Nach ihm bemisst sich die Effi-
zienz von Energiewandlungen und Energieübertra-
gung. Zwar gab es schon vereinzelte Versuche,
Wirkungsgrade für spezielle SWS-Speichermaterialien
und Gasturbinenprozesse zu berechnen, doch hatten
die Ergebnisse bislang nur beschränkte Aussagekraft,
weil sie von sehr vielen unsicheren Parametern abhin-
gen und keine vergleichende Bewertung unterschied-
licher Speichermedien zuließen. In einer solchen
Situation gibt kein Investor Geld für den Bau einer
großen Pilotanlage aus.
Wie die Fachzeitschrift Physical Review Letters in ih-
rer Onlineausgabe berichtet, hat der Maschinen-
bauingenieur Professor André Thess von der Tech-
nischen Universität Ilmenau nun erst-
mals eine vereinheitlichte Theorie vor-
gestellt, die die Wirkungsgrade von
SWS-Energiespeichern mit einer einfa-
chen Formel für beliebige Wärme- und
Kältespeichermedien
vorhersagt.
Während bisherige Theorien der SWS-
Energiespeicher auf zahlreichen spe-
ziellen Annahmen beruhen, bedient
sich die neue Theorie der Methode der
endoreversiblen Thermodynamik. Diese
Methode greift nur auf wenige funda-
mentale Postulate zurück und ist des-
halb von großer Allgemeinheit. Überra-
schenderweise ist die neue Wirkungs-
gradformel – die „Speicherformel“ –
recht einfach. Zudem hängt sie – ähn-
lich wie die in Expertenkreisen bekann-
te Carnot-Formel – nur von zwei Tem-
peraturen ab: der Außentemperatur und
der Wärmespeichertemperatur.
Die Speicherformel stellt zwar kein
exaktes Abbild eines realen SWS-Ener-
giespeichers dar, doch erlaubt sie eine
grobe Abschätzung der Energiespei-
cherkapazität verschiedener Baufor-
men. Würde man beispielsweise das
Berliner Gasometer – in dem die Talk-
show „Günther Jauch“ produziert wird –
mit Wasser füllen und als Speicher-
behälter für einen SWS-Energiespeicher
verwenden, könnte man darin etwa 0,6
GWh Elektroenergie speichern. Dies
würde ausreichen, um die Bewohner ei-
ner Großstadt wie Jena einen Tag lang
mit Strom zu versorgen.
Künftige Pilotanlagen werden zeigen,
ob die Speicherformel korrekt ist. Ein
Vorteil der SWS-Technologie liegt in-
dessen schon jetzt auf der Hand: Sie er-
fordert im Gegensatz zu Batterien keine
teuren oder seltenen Materialien wie
Lithium, sondern im einfachsten Fall
nur Wasser und CO
2
.
Die ortsunabhängige und kostengünsti-
ge Speicherung elektrischer Energie in
der Größenordnung des Tagesverbrau-
ches einer Großstadt (Gigawattstunden,
GWh) ist ein ungelöstes Problem der
Energietechnik. Ohne dessen Lösung
wird die Integration regenerativer
Energiequellen in den vorhandenen
Energiemix nicht gelingen. Weder
Pumpspeicherwerke noch Batterie-
speicher oder Druckluftspeicherkraft-
werke erlauben es, solche Energiemen-
gen unabhängig von den geologischen
Eigenschaften eines Standortes und zu
niedrigen Preisen zu speichern.
Der Energiepionier Bodo Wolf hatte be-
reits im Jahre 2007 eine neue Ener-
giespeicheridee patentiert: Elektroener-
gie wird mittels besonderer Wärme-
pumpen – sogenannter Hochtempe-
raturwärmepumpen – in Wärme umge-
wandelt und als heißes Wasser preis-
wert gespeichert. Bei Bedarf wird die
thermische Energie des Wassers mittels
spezieller Kraftwerksanlagen, so ge-
nannter transkritischer CO
2
-Dampf-
kraftanlagen, wieder in Elektroenergie
zurückverwandelt. Dieses thermodyna-
mische Prinzip wird heute als Strom-
Wärme-Strom (SWS)-Energiespeicher
bezeichnet. Andere Erfinder haben die
SWS-Idee für weitere Wärmespeicher-
materialien wie Salzschmelzen und
Gesteinsschüttungen sowie auf Kälte-
speichermaterialien wie Eis und flüssi-
ger Stickstoff verallgemeinert.
Doch gab es auf dem jungen For-
schungsgebiet SWS bislang nur so ge-
nannte „Papierspeicher“. So bezeichnen
Fachleute spöttisch die zahlreichen
Energiespeicherideen, die bisher nur
auf dem Papier oder als Miniaturmo-
delle existieren. Dass es noch keinen in-
dustrietauglichen SWS-Speicher gibt,
liegt unter anderem daran, dass bislang
kaum theoretische Vorhersagen über
Text und Grafik: TU Ilmenau
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