Landesspecial WS 05/2013 - page 18

Innovationen aus Thüringen
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Carl trägt eine rote Fliege. Seine Bewegungen sind langsam und exakt. Präzise übergibt er an seinen Chef. Dabei summt und schnurrt
er. Carl ist ein Barkeeper-Roboter, der einzige seiner Art. Sein Wohn- und Arbeitsort ist die Robots Bar & Lounge in Ilmenau, sein
Chef ist Ben Schaefer, ein junger Diplomingenieur aus der Thüringer Universitätsstadt.
Carl schenkt ein
Eigentlich müsste man sagen, dass Ben
Schaefer Carls Vater ist. Schon jahre-
lang hatte der 33-Jährige den Plan, ei-
nen funktionsfähigen Roboter zu bauen,
der auch wirklich sinnvolle Aufgaben
erfüllen kann. Und das stellt Carl unter
Beweis. Er zapft Hochprozentiges aus
an der Wand hängenden Flaschen und
übergibt dieses dann an den eigentli-
chen Barkeeper, der daraus verschiede-
ne Mixgetränke zaubert. In der Zwi-
schenzeit wendet sich Carl wieder den
Gästen zu, redet über das Wetter – und
menschelt.
„Das war mir wichtig, dass er mit sei-
nem Gegenüber eine Beziehung auf-
bauen kann. Carl kann den Kopf schräg
legen und sogar mit den Augenlidern
klimpern.“ Aber, so verrät Ben Schaefer,
Carls Potenzial wäre noch viel größer.
Zwei Dinge sind es, die Carls Fähig-
keiten etwas bremsen. Das Wichtigste:
Die Software, die die Bewegungen steu-
ert, muss erweitert werden. „Dazu fehlt
uns im Moment schlicht die Zeit. Aber
demnächst unterstützen uns ein paar
Praktikanten, die auf diesem Gebiet
weiter arbeiten wollen.“ Carl soll besser
mit seinen Gästen interagieren können.
Keine leichte Aufgabe, bei dem Licht
und der Akustik, die im abendlichen
Barbetrieb herrscht.
Der zweite Hemmschuh ist – man ahnt
es fast – der deutsche Arbeitsschutz.
Mensch und Maschine, das ist für das
Amt für Arbeitsschutz ein nahezu unlös-
bares Dilemma. Ihm gilt Carl als In-
dustrieroboter, und als solcher hat er
Abstand zu seinen menschlichen Kol-
legen zu halten. Eigentlich könnte Carl
am gesamten Tresen der Robots Bar &
Lounge arbeiten, aber der Arbeitsschutz
verbannt ihn in eine gerade mal einen
Quadratmeter große Ecke.
Dabei ist Carl als Prototyp für künftige
humanoide Roboter gedacht. Nachdem
bekannt wurde, dass Carl in Ilmenau
hinter dem Tresen steht, gab es Anfra-
gen aus aller Welt, verrät Ben Schaefer
mit einigem Stolz.
Leider scheiterten konkrete Pläne bis-
lang immer noch am nicht unerhebli-
chen Preis des Roboters. Wie hoch der
ist, will Schaefer nicht unbedingt verra-
ten. Eine sechsstellige Summe soll es
gewesen sein. Aber das sei es ihm wert
gewesen, bekennt der Tüftler, der als
Zehnjähriger schon das erste mechani-
sche Modell einer menschlichen Hand
gebaut hat.
Immerhin sei der Werbeeffekt riesig ge-
wesen. Davon profitiert auch Schaefers
Firma H & S Robots, mit der er seit
2007 aktiv ist. Sein Geld verdient er mit
der Konstruktion von Automatisierungs-
technik.
Gastronom ist Schaefer aber mit genau-
so viel Leidenschaft, wie Konstrukteur.
Zwei Jahre Vorlauf hatte er sich gege-
ben, bevor die Bar Ende Juni 2013 in
Ilmenau ihre Türen öffnete. Die Reso-
nanz hat ihn überrascht. Seine Zielgrup-
pe waren die technikaffinen Ilmenauer
Studenten, aber mittlerweile finden
auch Familien den Weg zu ihm. „Auch
mal die Oma mit dem Enkel, manchmal
weiß man gar nicht, wer wen hierher
gebracht hat.“
Text und Fotos: Torsten Laudien
Carl hat Ilmenau
weltweit bekannt
gemacht.
Ben Schaefer,
Robots Bar & Lounge Ilmenau
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